Europe’s Sullen Child
Jan-Werner Müller, London Review of Books

It is an irony that Britain is [leaving] after a quarter-century during which the EU has in many ways been reshaped in the image of the UK, has de facto become Breurope, even if that wasn’t always the UK’s doing.

Es lohnt sich, den Text von Müller von Anfang Juni nochmals durchzulesen. Die „ever closer union“, vor der sich die Briten fürchten, ist längst Vergangenheit. Aber vielleicht ist es die Gelegenheit, „Breurope“ wieder abzuschaffen und zu dieser Utopie zurückzukehren.

Der Guardian sammelt die herzzerreissenden Sichtweisen der 18- bis 24-jährigen Briten, deren Entsetzen kaum Grenzen kennt. Wäre eine Idee sich daran zu inspirieren, um die EU besser zu verkaufen als mit der abgewetzten Friedensmetapher.

In den Blättern analysierte David Graeber (bekannt durch Debt: The First 5000 Years), wie New Labour und die Austeritätspolitik der Tories zu einer tiefen Spaltung der britischen Gesellschaft führte. Nur seine Darstellung von Corbyn finde ich zu positiv.

The foul reign of the biological clock
Moira Weigel, Guardian Audio Long Reads

„Ihre biologische Uhr tickt“ – wie oft hört man diesen Satz über Frauen jenseits der 30. Der Spruch ist sexistisch und auch das Konzept, das hinter diesem Bild steht – das macht Moira Weigel unmissverständlich klar. Es ist auch ein schönes Lehrstück, warum Wissenschaft nie neutral ist, sondern immer gesellschaftlich geprägt ist.

Durch die Gegend … mit Stefan Niggemeier
Christian Möller, Viertausendhertz

Die Ähnlichkeit hört nicht beim Namen auf: „Durch die Gegend“ ist das Podcast-Gegenstück zur Arte-Kultsendung „Durch die Nacht mit …“. Mit weniger Punk aber mit ähnlichen Zielsicherheit geht der Podcast der Persönlichkeit seiner Gäste auf den Grund. In diesem Fall dem Medienjournalisten Stefan Niggemeier. Ein ähnliches Konzept hat der „Kiezrekorder“ – z.B. mit der wunderbaren Dota Kehr.

The Roots of Dirt
Sean Patrick Farrell, Wired

Wie ein paar Kumpels aus Kalifornien (!) nebenbei das Mountain Bike erfanden. Wie einer der Beteiligten im Video erklärt: Wenige können von sich behaupten, dass ihre Erfindung in Wörterbüchern landet … (unbedingt das Video schauen!)

Pulp Friction
Alex Shephard, New Republic

Was passiert, wenn die riesige Buchhandelskette Barnes&Noble verschwinden würde, ist die Geschichte, die sich hinter dem (genialen) Titel verbirgt.

The Future Is Almost Now
Elisabeth Alsop, The Atlantic

Science Fiction kommt unserer Alltagswelt immer näher. Und das macht die jeweiligen Filme meist erschreckender. Die Autorin nennt als Beispiel die britische Serie Black Mirror. Denke ich an die Episode „The Waldo Moment“, dann jagt mir das in Zeiten von Trump und dem Mord an Jo Cox einen kalten Schauer den Rücken hinab.

Journaliste pour l’histoire
Ivan Jablonka, La vie des idées

Es gibt viele Gründe, warum dieser Text mir gefällt. Ein Satz ist aber besonders schön:

„Sur les terres de vérité, l’historien est laboureur, le journaliste est braconnier.“

Ivan Jablonka bespricht das Buch Edwy Plenel über den Rainbow-Warrior-Skandal und macht sich dabei Gedanken über Parallelen zwischen der Arbeit der Journalisten und Historiker. Sein Buch L’histoire est une littérature contemporaine ist übrigens auch empfehlenswert.

On Reading Issues of Wired from 1993 to 1995
Anna Wiener, The New Yorker

Die Werbungen seien das Interessanteste an den alten Ausgaben des Technologiemagazins, schreibt Wiener. “Don’t let a fax/modem slow you”, steht in einer. Die Wired von vor 20 Jahren zeigt aber auch die Hoffnungen und die Utopien, die die Autoren und Leser an die Technologie knüpften. Seine Rache war vernichtend Constantin Seibt, Tages-Anzeiger Wie allgegenwärtig Utopien im Silicon Valley noch heute sind, erzählt Seibt am Beispiel von Peter Thiel. Dessen Fehde gegen das Klatschmedium Gawker wurde viel kommentiert, aber Seibt liefert wie immer die große Geschichte dahinter.

Open Office
Planet Money, NPR

Die Geschichte der folgenreichen Idee, Bürowände einzureissen. Und nein, es ist keine Verschwörung der Kopfhörerindustrie …